Das Janusgesicht des Konfliktes
Seitdem es Menschen gibt, gibt es Konflikte. Verschiedene Lebensentwürfe, Interessen und Konkurrenzen haben einen wesentlichen Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung geleistet. Alle sozialen Errungenschaften auf denen wir uns heute ausruhen, sind aus Konflikten und ihrer integrativen Aushandlung entstanden. Ohne sie wären wir vermutlich eine Stillstandsgesellschaft. Anderseits bergen Konflikte je nach Eskalationsgrad auch eine regressive Dynamik, welche in der Menschheitsgeschichte viel Blutzoll verlangt hat.
Ob Konflikte produktiv oder destruktiv werden, hängt somit weniger vom Konfliktgegenstand als vielmehr von unserem Umgang damit ab. Wenn wir die Konflikte und Widersprüche weitsichtig angehen wollen, müssen wir uns auch als eine „Lerngesellschaft“ verstehen, im Großen wie auch im Kleinen. Denn Kritik ohne Selbstkritik verkommt zur Selbstgerechtigkeit. Dies betrifft in einer zuwanderungsgeprägten Gesellschaft die Zugewanderten ebenso wie auch die Alteingesessenen, die Politik ebenso wie auch die zentralen Einrichtungen.
Kulturalisierung von Konflikten
Gerade die öffentlichen Einrichtungen unserer Gesellschaft sehen sich einer ethnisch und kulturell zunehmend pluralisierten Gesellschaft gegenüber. Neben der Tatsache, dass diese Pluralisierung in vielen Lebensbereichen einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zum Fortschritt der Zuwanderungsgesellschaft leistet, ist festzuhalten, dass die Übergänge und Interaktionen nicht unbedingt konfliktfrei ablaufen. Hier kommt es sehr schnell zu einer Ethnisierung bzw. Kulturalisierung der Probleme bzw. Konflikte. Dadurch werden graduelle, verschiebbare Konflikte in kategorische, nicht veränderbare Konflikte umgewandelt und mögliche Lösungsansätze in die Sackgasse getrieben.
Insbesondere im Kontakt zwischen öffentlichen Einrichtungen und pluraler Kundschaft kommt es immer wieder zu verschiedenen Irritationen und Missverständnissen. Die Gründe für diese Konflikte, wie auch der Umgang mit ihnen, verweisen auf eine komplexe, multifaktorielle Struktur, in der verschiedene soziale, strukturelle und auch kulturelle Aspekte je nach konkreter Situation eine Rolle spielen. Wobei soziale und strukturelle Faktoren jedoch stark ausgeblendet werden.
Individueller Zugang und sozio-kulturelles Kontextwissen
Jeder ist anders, anders und ähnlich zugleich! Und Menschen sind in unterschiedlicher Weise in unterschiedliche Lebenszusammenhänge eingebunden. Kulturalisierungen hingegen konstruieren, bestärken, schreiben Differenzen fest, wirken trennend und ausgrenzend in dem das Eigene wie das Andere als in sich homogen konstruiert wird. Dadurch kommt es zur Reduktion auf nur eine Identität, in der unsere hybriden Patchworkidentitäten ausgeblendet werden.
Kulturelle Werte, Orientierungen und Codes finden nicht im luftleeren Raum statt, sondern haben immer eine soziale Fundierung. Denn in der Realität greifen soziale und kulturelle Faktoren ineinander. Für einen adäquaten Umgang braucht es:
- ein Interesse am Individuum – Jenseits de-thematisierender bzw. kulturalisierender Zuschreibungen!
- Eine Interessierte, informierte, reflexive Haltung für die sozio-kulturellen Lebenswelten.
- Dies beninhaltet auch die Hinterfragung eigener Deutungs-, Erklärungs- & Handlungsmuster
Gemeinsam mit den Institutionen versuchen wir diese Konflikte in der Vielschichtigkeit von kulturellen, strukturellen und situativen Aspekten des Umgangs zu analysieren und auf dieser Grundlage problemadäquate Lösungen zu entwickeln.
- Konflikt- und Gemeinwesensarbeit in sozio-kulturell diversen Kontexten; Auftraggeber: Wohnpartner Wien, 2012-13